„Schönes Neues England“ von Sam Byers

15. Januar 2022Lese-Empfehlung

Nur ne einfache Gartenparty?

Im Vorort Edmundsbury, dem neuen Zufluchtsort der hippen Londoner, toben die Auseinandersetzungen einer ach so schönen neuen Welt: Wie wollen wir wohnen und arbeiten? Und was wollen wir mit niemandem teilen? Sam Byers entwirft das Panorama einer Gesellschaft nach dem Brexit, deren Verwerfungen auch die persönlichsten Beziehungen erschüttern.
Das kleine Edmundsbury ist derart angesagt, dass es als das neue London gilt. Alle, die etwas auf sich halten, sind schon dort oder wollen hin. Doch unter der Oberfläche ist nicht alles nur schön. Der Vorort wird von einer Technologiefirma namens Green beherrscht, in deren inneren Machtbereich nur wenige vordringen. Und plötzlich kippt der trügerische Frieden: Ein Bauunternehmer beschließt, ein soziales Wohnprojekt zur Luxusanlage umzugestalten. Ein rechter Politiker erhält immer mehr Zuspruch. Und eine Aktivistengruppe droht, die Browserverläufe sämtlicher Einwohner nach und nach im Internet zu veröffentlichen. In seiner hochintelligenten Gesellschaftssatire treibt Sam Byers die zwingenden Fragen der Gegenwart auf die Spitze und konfrontiert seine Figuren mit den Ängsten, die unter der hippen Oberfläche lauern.
 
Sam Byers, geboren 1979, studierte Creative Writing an der University of East Anglia. Sein bei Klett-Cotta veröffentlichter Roman »Idiopathie« erschien in neun Ländern und stand auf der Waterstones Liste der besten Debüts des Jahres. Byers‘ Arbeiten erschienen außerdem im Granta Magazine, in der New York Times, im Spectator und in der Literaturbeilage der Times.
 
„Schönes Neues England“ von Sam Byers, übersetzt aus dem Englischen von Clara Drechsler, Klett-Cotta 2019, 509 Seiten, € 24,00

EUPL-Lesekreis mit „Fang den Hasen“ von Lana Bastasič

30. Dezember 2021Lese-Empfehlung

Weiter geht’s in die 2. Runde mit unserem europäischen Buch Club! Wir haben Euch bereits im Rahmen der 1. Runde mit Matthias Nawrat berichtet, dass wir in Zusammenarbeit mit dem EIBF (European and International Bookseller Federation) in 2021/2022 einen EUPL (European Union Prize for Literature) Book Club Hamburg anbieten (4 Bücher/4 Autor:innen). 

In Runde zwei freuen wir uns sehr, Lana Bastasič mit ihrem Debütroman „Fang den Hasen“ vorstellen zu dürfen. Die Autorin hat 2020 den Preis der Europäischen Union für Literatur gewonnen. Wir möchten mit Euch gemeinsam ihr Buch lesen – virtuell, um uns dann am Montag, den 24. Januar 2022 um 19:30 im Lesesaal Café persönlich austauschen zu können (2G). Auf Instagram und Facebook könnt ihr natürlich auch dabei sein. Jeweils an 3 Montagen (ab dem 03.01.2022) werden wir einen Post mit den Kapiteln/Seiten einstellen, die in der jeweiligen Woche gelesen werden. Einige einleitende Fragen und Gedanken gibt es im Beitrag dazu. Wir freuen uns auf eine anregende Diskussion zur Lektüre.

Höhepunkt des Buch Clubs wird das Gespräch mit Lana Bastasič sein, dass Stephanie Krawehl am Donnerstag, den 17.02.2022 um 19:30 Uhr auf Instagram Live auf unserem Account führen wird. Seid Ihr dabei? Hierfür sammeln wir gerne alle Euren Fragen und Eindrücke während der Lesezeit – sie werden im Gespräch berücksichtigt. Aber auch im Live selbst habt Ihr die Gelegenheit im Chat mit zu diskutieren und Euch einzubringen.

Egal ob Ihr das Buch bereits gelesen habt oder es erst noch lesen möchtet – seid dabei! Wir freuen uns auf den regen Austausch mit Euch! 

Darum geht es in dem Debütroman von Lana:

Als junge Mädchen waren sie unzertrennlich, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten: Lejla, die Schamlose, Unbändige. Sara, die besonnene Tochter des Polizeichefs. Eine zwiespältige Nähe aus Befremden und Anziehung. Eine außergewöhnliche Freundschaft, die plötzlich zerfiel wie das Land, in dem sie aufwuchsen. 12 Jahre ist es her, als Sara Bosnien verließ, um an einem besseren Ort ein neues Leben zu beginnen. 12 Jahre absoluter Funkstille, als ein Anruf sie in die verlorene Heimat zurückbringt. Die Rückkehr wird kein harmloses Wiedersehen zweier Kindheitsfreundinnen. 
Mit einer fesselnden Sprache zwischen rebellischem Trotz und beißender Komik erzählt Bosniens aufregender Literatur-Shootingstar Lana Bastašić in »Fang den Hasen« von einer außergewöhnlichen Freundschaft in den Wirren der jugoslawischen Geschichte.

übersetzt von Rebekka Zeinzinger, S. Fischer Verlage März 2020, 216 Seiten, € 22,00

In Kooperation mit EUPL/EIBF

Susan Taubes „Nach Amerika und zurück im Sarg“

12. November 2021Lese-Empfehlung

Susan Taubes, 1928 in Budapest geboren, emigrierte im Alter von 11 Jahren mit ihrer Familie in die USA, wo sie mit einer Arbeit zu Simone Weil promoviert wurde. Taubes lehrte Religionsgeschichte an der Colombia University, spielte auf den Bühnen New Yorks. Kurz nachdem ihr Roman Scheiden tut weh über ihre Trennung von Jacob Taubes in New York herauskam, nahm sie sich 1969 das Leben. Heute gilt sie als einflussreiche Intellektuelle des 20. Jahrhunderts und ist Vorbild zahlreicher Schriftstellerinnen.

Die brillante Sophie Blind steht vor den Trümmern ihrer Ehe und beschließt, sich von Ezra, ihrem Ehemann, scheiden zu lassen. Ein fast skandalöser Schritt, und auch ihr Mann verspricht ihr, sie werde an der Scheidung zugrunde gehen, ist ihm die Ehe 1960 doch eine heilige Institution. In dieser schmerzhaften Situation erkennt Sophie, dass sich ein Riss durch ihr Leben zieht, den weder die unglückliche Ehe noch deren Ende zu heilen imstande sind. Sie beginnt sich zu erinnern: an die Kindheit in Budapest in den 1930er-Jahren, an den Vater, einen praktizierenden Psychoanalytiker, der die Affären ihrer Mutter als Symptom abhakt und der kleinen Sophie schon im Kindesalter erklärt, sie würde am Elektrakomplex leiden. 1939 emigriert die jüdische Familie in die USA, doch auch nach drei Jahrzehnten fühlt sich Sophie, als sei sie nie vom Schiff gestiegen. Einer steilen akademischen Karriere folgte die Ehe mit dem Intellektuellen Ezra, für den sie erst dann die »beste Frau der Welt« ist, wenn er sie endlich zum Schweigen gebracht hat. Haltlose Gewalt und Erniedrigung konterkarieren das nach außen perfekte Leben. Je tiefer sie ihre Vergangenheit reflektiert, desto unwirklicher erscheint ihr die Gegenwart.

Matthes & Seitz 2021, Originaltitel: „To America and Back in a Coffin“ 1969, aus dem amerikanischen Englisch von Nadine Miller, mit einem Essay von Leslie Jamison, 372 Seiten, € 24,00

Laura Lippman „Wenn niemand nach Dir sucht“

25. Oktober 2021Lese-Empfehlung

„Ein packender Thriller, der Vielstimmung von Sexismus, Rassismus und Emanzipationsbestrebungen erzählt.“ Vanity Fair

LAURA LIPPMAN, geboren 1959 in Atlanta, hat mit ihrer erfolgreichen Detektivfigur Tess Monaghan mindestens eines gemeinsam: Wie sie ist die Autorin eine erfahrene Reporterin. Lippman arbeitete nach ihrem Journalismus-Studium zwanzig Jahre lang in diesem Beruf. Als Tochter einer Buchhändlerin hat sie das Lesen zwar immer schon geliebt, aber erst die Begegnung mit weiblichen Detektiven von Schriftstellerinnen wie Sara Paretsky, Sue Grafton und Marcia Muller ermutigte sie dazu, selbst eine Ermittlerin zu kreieren. Für ihre Kriminalromane wurde Lippman mit unzähligen Preisen ausgezeichnet.

Schon vor acht Monaten ist Cleo Sherwood verschwunden. Abgesehen von ihren Eltern und ihren beiden Söhnen scheint sich niemand darum zu scheren. Im Jahr 1966 interessieren sich weder Polizei noch Öffentlichkeit oder Presse für eine schwarze Frau, die als vermisst gilt. Madeline »Maddie« Schwartz, die als Redaktionsassistentin beim Baltimore Star arbeitet, hat sich erst vor Kurzem von ihrem Mann getrennt und klare Vorstellungen von ihrer Zukunft: sich nicht länger nur darum kümmern, dass ihr Haushalt streng koscher ist, endlich sich selbst verwirklichen – und den eigenen Namen unter ihren Artikeln lesen. Als Maddie von einer Frauenleiche hört, die im Brunnen eines Parks gefunden wurde, wittert sie die Story ihres Lebens. Ihr Ehrgeiz ist geweckt. Sie ahnt nicht, wie viel Ärger ihr diese Geschichte einbringen wird – eine Geschichte, die niemand hören will.

Kampa Verlag, aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Bielfeldt und Jürgen Bürger, engl. Original „Lady in the Lake“, 384 Seiten, € 22,00 

Olivia Kuderewski „Lux“ – ausgezeichnet mit dem Klaus Michael Kühne-Preis für das beste deutschsprachige Debüt

20. September 2021Lese-Empfehlung

Lux bricht aus. Sie reist in die USA, macht sich auf die Suche nach dem Wahren, dem Gefährlichen, das die Glasglocke über ihr zum Splittern bringt. Sie trifft Kat. Eine junge, irritierend schöne Frau, eine amerikanische Nomadin mit schneeweißem Haar. Gemeinsam begeben sie sich auf einen Roadtrip von Osten nach Westen, quer durch die USA, bringen sich gegenseitig an ihre Schmerzgrenzen, laufen aus dem Ruder. Lux ist auf der Jagd nach sich selbst. Aber was will Kat?

Jurybegründung: „Olivia Kuderewski schafft durch ihre kraftvolle und intensive Sprache einen Roman, der die Lesenden in ihren Bann zieht – und nimmt sie mit auf die Reise in ein Land, das ebenso versehrt ist wie Lux, die Protagonistin. Sinnlich schildert die Autorin deren Trauer, Verunsicherung und ihren Kampf, sich selbst zu finden. Atemlos treibt Kuderewski ihre Figur von der Ost- an die Westküste, beschreibt eine so faszinierende wie zerstörerische Freundschaft zwischen Lux und der kompromisslosen Vagabundin Kat. Dabei bricht sie mit pathosbehafteten USA-Bildern und deutet auf die Abgründe dieses Landes. Ein gleichermaßen lichter wie düsterer Roman, der einen atemlos zurücklässt – ein sprachliches Erlebnis!“

Voland & Quist 2021, 224 Seiten, € 22,00

Rachid Benzine „Als ich ihr Balzac vorlas – die Geschichte meiner Mutter“ (frz. „Ainsi parlait ma mère“)

2. August 2021Lese-Empfehlung

Als seine Mutter krank wird, stellt der Universitätsprofessor Rachid Benzine sein Privatleben in ihren Dienst. Er pflegt sie und liest der Analphabetin allabendlich aus ihrem Lieblingsbuchvor, Balzacs „Chagrinleder“. Bis zu ihrem 93. Lebensjahr wohnte sie in derselben Zweizimmerwohnung, die sie bei ihrer Ankunft aus Marokko mit ihrem Mann und den fünf Kindern bezog. Bewegend und mit politischem Subtext blickt Benzine auf das Leben seiner Mutter zurück, die ihre Kinder über Jahrzehnte mit ihrem mageren Gehalt als Zugehfrau ernährte und deren Herz stets weit offen war für die Sorgen anderer.

Piper Verlag 2021, übersetzt von Andreas Jandl, € 16,00

Tsitsi Dangarembga „Aufbrechen“ (engl. „Nervous Conditions“)

21. Juni 2021Lese-Empfehlung

Im Rhodesien der 60er-Jahre schildert Tsitsi Dangarembga anrührend den zähen Kampf des Dorfmädchens Tambu um Bildung. Sie beschreibt, wie ein armes, benachteiligtes Mädchen allmählich dem Stammes- und Dorfleben entschlüpft, um ihren Platz als gebildete Frau einzunehmen. Aber alles hat seinen Preis …

Das halbautobiografische Debüt von Tsitsi Dangarembga wurde 1988 zum ersten Mal veröffentlicht, gewann den Commonwealth-Autorenpreis und viele andere literarische Auszeichnungen.

Die Geschichte von Tambu wird in drei Teilen erzählt, wovon der letzte erst 2018 in den USA erschienen ist.

„Viele gute, von Männern geschriebene Romane sind in Afrika entstanden, aber wenige von Schwarzen Frauen. Dies ist der Roman auf den wir gewartet haben … und dieses Buch wird ein Klassiker.“ Doris Lessing

Übersetzer: Ilja Trojanow

280 Seiten, Klappenbroschur, Orlando Verlag
€ 22,00

Salih Jamal „Das perfekte Grau“

29. Mai 2021Lese-Empfehlung

Das ist die Geschichte von Novelle, Rofu, Mimi und von mir. Rofu hat nur ein Ohr und ist über das Meer gekommen. Aus Afrika. Mimi ist Engländerin. Sie hat ihren Mann umgebracht, nun versteckt sie sich unter Perücken und hinter dunklen Brillen. Novelle ist noch sehr jung. Sie liebt Mangas und die Sauferei. Manchmal fährt sie einfach aus der Haut oder sie hört Stimmen. Den komischen Namen hat sie von ihrer Mutter. Als unsere Geschichte damals losging, wusste ich das alles noch nicht. Ich, ich heiße Ante, aber alle nennen mich Dante. Wegen des Infernos. Ich bin, genau wie die anderen, auch auf der Flucht.

Ich glaube, vor mir selbst.

Alles fing damit an, dass zwei Polizisten wegen Mimi in dem Hotel, in dem wir gearbeitet hatten, auftauchten. Ich könnte jetzt noch erzählen, wie Novelle verschwunden und wieder aufgetaucht ist, was wir in Berlin getrieben haben oder wie wir Erleuchtung beim Pilgern nach Altötting erlangten. Aber darum geht es in der Geschichte ja eigentlich gar nicht. Es geht nämlich darum, dass wenn wir schon vor irgendwem oder irgendetwas fliehen, wir uns besser nicht vor unseren Dämonen wegducken sollten. Weil man sonst immer ein Geflüchteter bleiben wird und niemals wo ankommt.

Und es geht auch um Heimat, die wie eine Haut ist.

SALIH JAMAL (geb. 1966) hat seine Wurzeln in Palästina. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Septime Verlag – 2009 in Wien gegründet, ist einer der jungen und ehrgeizigen Kleinverlage auf dem Büchermarkt, die sich zum Ziel gesetzt haben, kompromisslose Literatur zu vertreten, mit einem hohen Anspruch an Qualität und Rarität.

„Osterbuch“ von Konrad F.E. von Freyhold und Christian Morgenstern

27. März 2021Lese-Empfehlung
1908 erschien auf Wunsch des Verlegers Bruno Cassirer in seinem Verlag ein Kinderbuch, für das er den Lyriker und Verlagslektor Christian Morgenstern mit dem Kinderbuchillustrator K. F. Edmund von Freyhold zusammenbrachte.
Das aus dieser Zusammenarbeit hervorgegangene »Hasen-« bzw. »Osterbuch« besticht durch seine farbenfrohen und phantasievollen Bildmotive und seine humorvollen Reime. »Jedes Blatt ist ein Farbenepigramm. Just auf seinen freudigen und fein kontrastierten Farben beruht sein Hauptreiz«, lobte Morgenstern die siebzehn ganzseitigen, kolorierten Bildtafeln, die zu den ungewöhnlichsten und kunstvollsten Kinderbuchillustrationen des frühen 20. Jahrhunderts zählen.
erschienen bei Walde + Graf Verlagsagentur und Verlag, Februar 2019, € 16,00

Emilia Roig – „Why We Matter – Das Ende der Unterdrückung“

8. März 2021Lese-Empfehlung

Wie erkennen wir unsere Privilegien? Wie können Weiße die Realität von Schwarzen sehen? Männliche Muslime die von weißen Frauen? Und weiße Frauen die von männlichen Muslimen? Die Aktivistin und Politologin Emilia Roig zeigt – auch anhand der Geschichte ihrer eigenen Familie, in der wie unter einem Brennglas Rassismus und Black Pride, Antisemitismus und Auschwitz, Homophobie und Queerness, Patriarchat und Feminismus aufeinanderprallen –, wie sich Rassismus im Alltag mit anderen Arten der Diskriminierung überschneidet. Ob auf der Straße, an der Uni oder im Gerichtssaal: Roig schafft ein neues Bewusstsein dafür, wie Zustände, die wir für „normal“ halten – die Bevorzugung der Ehe, des männlichen Körpers in der Medizin oder den Kanon klassischer Kultur – historisch gewachsen sind. Und dass unsere Welt eine ganz andere sein könnte.

„Emilia Roig deckt die Muster der Unterdrückung auf und leitet zu radikaler Solidarität an. Sie zeigt – auch anhand der Geschichte ihrer eigenen Familie –, wie Rassismus und Black Pride, Antisemitismus und Ausschwitz, Homofeindlichkeit und Queerness, Patriarchat und Feminismus aufeinanderprallen.

„Radikal und behutsam zugleich. Dieses Buch ist ein heilsames, inspirierendes Geschenk.“ Kübra Gümüsay

Aufbau Verlag, 397 Seiten, € 22,00