Literatur aus dem Land der aufgehenden Sonne 

Was kommt Euch in den Sinn, wenn Ihr an japanische Literatur denkt? Stimmt: Haiku, das „Kopfkissenbuch“ von Sei Shōnagun, und Murakami. Alles richtig und wichtig. Nun würden wir diesen Blogbeitrag nicht schreiben, wenn es da nicht noch sehr viel mehr zu entdecken gäbe. Wir möchten Euch nachstehend besonders die weiblichen Stimmen aus dem Männerland Japan vorstellen.

Zu Anfang möchten wir Euch gerne den Bruder von Robert Walser (deutschsprachiger Schweizer Schriftsteller) vorstellen: Karl Walser. Aus dessen vielfältigem künstlerischen Schaffen ragt eine Werkgruppe heraus: knapp 50 Aquarelle und Ölgemälde, die 1908 während einer halbjährigen Japan–Reise entstanden. Die Sichtweise eines Europäers auf Japan um die Jahrhundertwende 19./20. Jh. ist zu entdecken. Was für ein wunderbarer Kunstband, der inzwischen bedauerlicherweise beim Verlag vergriffen ist. Der Lesesaal hat noch zwei Exemplare… First come, first serve 😉

Neben den modernen Klassikern Yasushi Inoue („Das Jagdgewehr“), den japanischen Literaturnobelpreisträgern Yasunari Kawabata („Die Schönen“) und Kenzaburô Oê („Der stumme Schrei“) sind die Autorinnen Banana Yoshimoto („Kitchen“), Yoko Ogawa („Hotel Iris“) und Hiromi Kawakami („Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß. Eine Liebesgeschichte“) in der deutschen Literaturszene schon länger bekannt.

Der SWR 2 schrieb 2017 über japanische Schriftstellerinnen: „Sie schreiben schwebend schöne Texte, brutale Sozialdramen und zarte Liebesromane: die Erfolgsautorinnen Japans. In den Buchhandlungen stehen ihre Werke im „Frauenregal“, ordentlich von den Büchern der männlichen Kollegen getrennt. Dies spiegelt auch ein Stück weit das Verhältnis der Geschlechter, denn das Inselreich tut sich bis heute schwer, Frauen und Männer als gleichwertig anzusehen.“ Das ist die Situation heute in der japanischen Gesellschaft in punkto Literatur, und sicherlich nicht nur dort.

Seit Mitte der 80er Jahre schreiben einige Autorinnen Japans Romane und Geschichten, die ins Deutsche übersetzt werden. Einige von den neuen japanischen Stimmen möchten wir Euch gerne vorstellen: 

Mieko Kawakami, geb. 1976 in Ōsaka – 2008 erschien der Titel „Chichi to Ran“ der 1976 geborenen Schriftstellerin und Sängerin – bei  uns vor einem Jahr als „Brüste und Eier“ in der Übersetzung von Katja Busson im Dumont Verlag erschienen und jetzt schon als Taschenbuch erhältlich. In diesem Roman erzählt die Autorin von Armut, Ausbeutung und patriarchaler Herrschaft. Er entwirft eine Phänomenologie heutigen Frauseins in Japan. 

Sayaka Murata, geb. 1979 – bekannt wurde die Autorin bei uns mit ihrem Roman „Die Ladenhüterin“, übersetzt von Ursula Gräfe, erschienen 2018 im Aufbau Verlag und jetzt als Taschenbuch erhältlich. Der Klappentext führt die Protagonistin wie folgt ein: „Keiko Furukura ist anders. Gefühle sind ihr fremd, das Verhalten ihrer Mitmenschen irritiert sie meist. Um nirgendwo anzuecken, bleibt sie für sich. Als sie jedoch auf dem Rückweg von der Uni auf einen neu eröffneten Supermarkt stößt, einen sogenannten Konbini, beschließt sie, dort als Aushilfe anzufangen.“ Sayaka Murata zeichnet ihre Hauptfigur mit den Strichen einer introvertierten Frau, die Struktur braucht. Diese gerät allerdings durch einen neuen Kollegen im Konbini ins Wanken. 

Hiromi Itō, geb. 1955 in Tokyo geboren, zählt zu den wichtigsten japanischen Autorinnen der Gegenwart. Sie ist auch als Illustratorin und Manga-Kritikerin bekannt. Neu erschienen ist ihr Roman „Dornauszieher. Der fabelhafte Jizo von Sugamo“ im Matthes & Seitz Verlag in der Übersetzung von Irmela Hijiya-Kirschnereit. 2007 bereits in Japan erschienen, lernen wir hier den Alltag einer Frau kennen, die alle Mühe hat, ihre Rollen als einzige Tochter, als Ehefrau und Mutter, als Schriftstellerin und als Intellektuelle auszubalancieren. Davon berichtet Hiromi Ito in ihrem ganz eigenen, stark vom mündlichen Erzählen geprägten Ton, mit Anklängen an Märchen, buddhistische Legenden, Literatur aus Ost und West, bis hin zu moderner Lyrik, Rap und Werbeslogans. Tipp: Die Autorin kommt zum Harbourfront Festival und liest am Samstag um 20 Uhr im Saal des Altonaer Museums – habe gerade gesehen, dass es noch Restkarten gibt …

Kennt Ihr japanische Autorinnen? Wenn ja, welche hat Euch besonders gefallen? Wir würden uns sehr freuen, von Euch zu lesen. Schreibt uns gerne an die unten genannte Mailadresse.

Stephanie Krawehl

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