Nicht rasten, etwas bewegen wollen: Der Unrast Verlag

In dem für unser Land historisch bedeutsamen Jahr 1989 entstand im westfälischen Münster ein Verlag, dessen Name schon für die Gründungsidee bedeutsam gewesen ist: der Unrast Verlag. Die Unrast. Dazu finden wir im Duden: „innere Unruhe, inneres Getriebenwerden; Rastlosigkeit, Ruhelosigkeit“. Außerdem als Bemerkung zum Sprachgebrauch: „gehoben“.

Im Untertitel des Verlags lesen wir „Bücher der Kritik“. Zu kritisieren gab und gibt es seit 1989 sicherlich viele gesellschaftliche Vorgänge. Mittlerweile existiert der Verlag mehr als dreißig Jahre und die Themen werden ihm in der nächsten Zeit sicherlich nicht ausgehen. 

Was mit dem „Antifaschistischen Taschenkalender“ im Jahre 1989 begann, ist heute ein Verlag mit breitem politischen Programm, der wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hat als wir im Netz oder in Läden entdecken können. Daher widmen wir unseren Blogbeitrag heute dem Unrast Verlag und vier von uns ausgewählten Titeln (weitere findet ihr bei uns im Lesesaal). Auf der Homepage des Verlags könnt ihr auch im Zeitraffer die 25 ersten Jahre nachlesen, im Gesamtprogramm stöbern, mehr über die Autor:innen erfahren und viele weitere Eindrücke sammeln.

Das Verlagsprogramm enthält aber nicht nur Titel, die sich mit der deutschen Gesellschaft, Kritik an Normen, der Politik oder aktuellen hiesigen Diskursen beschäftigt, sondern es geht auch um Regionen wie den Nahen Osten, die Türkei, Afrika, Mexiko und indigene Bevölkerungsgruppen, die unterdrückt werden. Ein Blick in die Neuerscheinungen lohnt sich sehr, denn es werden zahlreiche aktuelle mediale Diskursthemen durch das Verlagsprogramm abgebildet.

Vier Titel möchten wir euch besonders ans Herz legen:

  1. Aus dem Jahr 2020 Lyrik von Audre Lorde „Die Quelle unserer Macht“ (zweisprachige Ausgabe englisch/deutsch, übersetzt von Marion Kraft und Sigrid Markmann). Die in dieser Ausgabe enthaltenen Gedichte stellte die Autorin Audre Lorde noch kurz vor ihrem Tod während ihres letzten Berlin-Aufenthaltes selbst zusammen. Liebe und Leidenschaft unter Frauen, aber auch der Kampf um Selbstbehauptung und das Thema Macht werden in der Lyrik der Dichterin zum Thema.

  1. Bereits 2019 ist „Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte“, herausgegeben von Natasha A. Kelly, erschienen. In diesem Buch geht es um feministische Debatten mit Texten von Angela Davis, Kimberlé Crenshaw, Sojurnour Truth und weiteren Aktivist:innen und Autor:innen.

  1. Noch tiefer in die Vergangenheit des Verlags (ein Hoch auf die Backlist!) tauchen wir mit dem nächsten Buchtipp ein: „Bobby Sands. Ein Tag in meinem Leben“ erschien bereits 2004 und enthält ein Vorwort des Friedensnobelpreisträgers Seán MacBride. Das Buch wurde übersetzt von Gabriele Haefs. Den Text schrieb Bobby Sands (der mit 27 Jahren an den Folgen seines Hungerstreiks 1981 im Gefängnis starb) auf Toilettenpapier, mit einem Stift, den er in seinem Körper versteckt hielt. 

  1. Aus dem Jahr 2017 stammt der Band „Dekolonisierung des Denkens. Essays über afrikanische Sprachen in der Literatur“ von Ngūgī wa Thiong’o. Übersetzt von Thomas Brückner. Die Essaysammlung des bekannten kenianischen Autoren wird durch weitere Essays afrikanischer Autor:innen und Wissenschaftler:innen aus dem Senegal, Simbabwe, Kamerun und Südafrika ergänzt.

Wir wünschen euch viel Freude beim Stöbern im Programm des Verlags! Möge es euch bereichern und anregen. Für weitere Fragen oder Bestellmöglichkeiten stehen wir euch natürlich gerne zur Verfügung.

Roma Maria Mukherjee

roma.mukherjee@lesesaal-hamburg.de