Hamburger Abendblatt | Text: Juliane Kmieciak | Foto: Marcelo Hernandez
Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese Geschichte zu erzählen. Die eine könnte mit dem Hinweis beginnen, dass eigentlich jeder seine Bücher am liebsten in der Buchhandlung um die Ecke kauft. Na ja, oder zumindest kaufen würde. Manchmal fehlt halt die Zeit. Aber letztlich gehen doch die meisten gern dahin, wo es kompetente Beratung gibt und wo man sich zum Teil seit Jahren mit Vornamen kennt.
Der zweite Möglichkeit wäre ein eher staubtrockenes Zahlenwerk: Während die Umsätze der Buchbranche insgesamt (bis auf 2012) steigen, so hieße es dort, leidet der stationäre Buchhandel seit drei Jahren unter Umsatzverlusten – 2012 gar von 3,7 Prozent. Die Erlöse im Internet dagegen steigen. Jedes sechste Buch wird mittlerweile per Mausklick gekauft – eine Entwicklung, die sich auch am Hamburger Straßenbild ablesen lässt: Seit den 70er-Jahren hat sich die Zahl der Buchhandlungen fast halbiert. Laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat es 1972 noch 171 Buchhändler in Hamburg gegeben. Jetzt sind es nur noch 94.
Aber es gibt noch eine dritte Art, diese Geschichte zu erzählen. Und in deren Mittelpunkt stehen vier Buchhandlungen mit unterschiedlichen Konzepten und Strategien. […]
3. Kapitel: Die Idealistin
Lesesaal, Lappenbergsallee, Eimsbüttel: Einige würden das, was Stephanie Krawehl gemacht hat, als verrückt bezeichnen: Die 49-Jährige hat vor zwei Jahren eine kleine Buchhandlung eröffnet. Nur 40 Quadratmeter groß, ein paar Gehminuten von der trubeligen Osterstraße in einem Wohngebiet gelegen. Ratgeberliteratur? Reise? Pädagogik? Gibt’s hier alles nicht. Stattdessen jede Menge Bücher, deren Titel es womöglich nie auf eine Bestsellerliste schaffen werden.
Krawehl findet das gar nicht so verrückt. Sie ist überzeugt davon, dass sie mit ihrem Konzept richtig liegt. Ihr Konzept, das sind ausgewählte Titel, unbekannte Autoren und unabhängige Verlage. Kann das gut gehen? Krawehl sagt: Ja. „Zu mir kommen eher seltener Kunden, die nach dem neuen Regener fragen“, obwohl sie den sogar im Regal stehen hat. Gelesen hat sie ihn aber nicht. Ebenso wenig wie Titel von Boyle oder Kehlmann. „Die werden doch ohnehin schon rauf und runter rezensiert.“ Stattdessen hat die ehemalige Vertriebsleiterin eine spezielle Ecke für kleine Verlage eingerichtet. Hier stellt sie ihren „Verlag des Monats“ vor. Dieses Mal: Lilienfeld – ein kleiner Verlag aus Düsseldorf.
Während sie erzählt, laufen vor ihrem Schaufenster Leute vorbei, winken kurz, einige bleiben vor ihrem Aufsteller stehen. Darauf steht: „Wir bestellen jedes Buch.“ In Zeiten, in denen eigentlich jeder jedes Buch bestellen kann, wirkt es fast banal. Krawehl sieht das anders. „Viele Leute, die seit Jahren schon nur noch im Internet kaufen, wissen gar nicht mehr, dass wir im Grunde dasselbe können.“ Und gerade deswegen empört sie sich oft über die großen Versandhändler – besonders Amazon. „Das ist ein Riesenunternehmen, das noch nicht mal in Deutschland Steuern zahlt und gleichzeitig die lokalen Geschäfte um die Ecke kaputt macht.“
Einen Online-Shop hat Krawehl nicht. „Ich möchte mit meinen Kunden doch über die Bücher sprechen“, sagt sie. Besonders gerne auch über Kinder- und Jugendliteratur, die ihr sehr am Herzen liegt. Im Beratungsgespräch und auf den Leseabenden, die sie regelmäßig organisiert. Und was ist mit E-Books? „Ich bin noch nie von meinen Kunden danach gefragt worden.“ […]